Starkes Signal mündet im Halbfinaleinzug
FSA-Pokal, Viertelfinale: Union Schönebeck - VfB Germania Halberstadt 0:4 (0.2)
(von Bernd Waldow)
Ein denkwürdiges Ereignis, dieses Pokalspiel, das aus unterschiedlichsten Gründen vielfach in Erinnerung bleiben wird! Den meisten war schnell klar, als zur Wochenmitte der Trainingskader des VfB Germania nach einer nie dagewesenen Krankheitswelle bis auf vier (!) Spieler zusammen geschrumpft war, würde das Spiel in Schönebeck wohl verlegt werden müssen.
Doch während Hertha BSC und der NOFV umgehend einer notwendigen Absetzung des unter der Woche angesetzten Nachholspiels zustimmten, um ganz professionell den Schutz der Spieler an die Spitze der Prioritätenliste zu stellen, weigerte sich Union Schönebeck, einer Verlegung des Sonntag-Spiels zuzustimmen, so dass der Ball dem FSA zugespielt wurde, dessen Entscheidung eigentlich nur eine Neuansetzung zu einem späteren Termin hätte sein können. Fassungsloses Entsetzen aber am Donnerstag, als der Landesverband seine Entscheidung mitteilte: Das als Vereinswettbewerb ausgeschriebene Pokal-Duell werde, wie angesetzt, am Sonntag in Schönebeck ausgetragen! Basta, Ende und aus!
Es wird gespielt, was immer es koste und sei es die Gesundheit der ihm anvertrauten Spieler. The Show must go on, ohne jeden Blick über den Tellerrand! Infantino lässt grüßen…
Inmitten einer nun einsetzenden Welle der Empörung behielt zumindest einer klaren Kopf – Germanias Chef-Coach Manuel Rost. Mit all seiner Erfahrung tüftelte er umgehend an einer Möglichkeit, zumindest für den Sonntag eine spielfähige Elf aufzubieten. Weiter zu planen, führt ins Reich der Spekulation, denn niemand kann vorhersagen, wie Spieler, die aus einer Krankschreibung heraus, gerade noch mit Fieber im Bett, plötzlich auf dem Platz unter Vollast arbeiten müssen, diese Belastung verkraften, welche Spätfolgen etwa daraus erwachsen könnten, ein Wahnsinn! In den wenigen, noch leichten Trainingseinheiten vor dem Spiel, wurden die Spieler mit allen verfügbaren medizinisch-technischen Hilfsmitteln überwacht, um die bestehenden Risiken zumindest zu minimieren. Aus der U23 und U19 wurden Spieler rekrutiert, die frei von Krankheitssymptomen waren. Hier zeigte sich der Vorteil, dass seit längerer Zeit der Nachwuchs behutsam an das Leistungsniveau der Herren herangeführt wurde, indem Spieler schrittweise in den Trainingskader der „Ersten“ eingebunden wurden. Zumindest offiziell zeigte Manuel Rost sogar etwas Verständnis für den Versuch Schönebecks, aus der Halberstädter Situation selbst Kapital zu schlagen. Das zeugt von Größe, während andernorts schon über gewisse Trotzreaktionen sinniert wurde. Eine davon war die umgehende Reaktion aus dem Sponsorenkreis des VfB Germania. Noch am Donnerstagabend machte die Meldung die Runde, dass der vom Verband so jämmerlich im Stich gelassene VfB Germania zumindest auf seine eigenen Fans solle bauen können, denen ein Sonderbus zur Verfügung gestellt wurde, um vor Ort größtmögliche Unterstützung zu erfahren. In diesem Fall wurde das sogar soweit ausgedehnt, dass der größte Bus der „Wolf-Reisen“-Flotte mit 78 Plätzen den Fans vorbehalten blieb, während die Mannschaft in ein kleineres Fahrzeug umstieg.
Noch eine weitere Reaktion, die den Zusammenhalt, den es mittlerweile hier gibt, belegt:
Mangels einsatzfähiger Spieler waren sogar Manuel Rost selbst und auch Stammkeeper Lukas Cichos als Feldpieler auf dem Spielberichtsbogen als Einwechselspieler vermerkt.
Als Kapitän wurde dieser einmal mehr seiner Führungsrolle im Team gerecht und stimmte sofort zu, bei Bedarf auch als Feldpieler aufzulaufen – klasse Einstellung!
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Nun, unter den gegebenen Umständen ging der VfB Germania unbeirrt und mit klarer Zielstellung ans Werk. Niemand konnte erahnen, wie lange die Kraft reichen würde, so musste möglichst schnell eine klare Richtung vorgegeben werden. Die drei Youngster, die zuletzt schon „Schnupperkurse“ in der Regionalliga bekommen hatten, Silvio Rust, Bennet Mingramm und Nick Sauer, sie sollten in ihren ersten Spielen von Beginn an für die „Erste“ zu tragenden Säulen werden. Schönebeck bekam kaum Luft zum Atmen, es ging sofort vorwärts bei den Domstädtern. Paul Grzega bediente auf rechts Bennet Mingramm, der servierte flach nach innen, Illia Hlynianyi lief ein und zimmerte die Kugel unter das Dach – 0:1 schon in der dritten Minute, nach einem einstudierten Spielzug! Dann der zweite Anlauf, diesmal über die linke Seite, Louis Malina lief Richtung linkes Strafraumeck und schloss mit einem Flachschuss ins lange Eck ab – 0:2, gerade mal knapp sechs Minuten waren gespielt. Halberstadt hielt das Tempo hoch und spielte Schönebeck nahezu schwindelig, Schuss geblockt in der vielbeinigen Abwehr, Nachschuss noch so eben vom Torhüter abgeklatscht, zweiter Nachschuss von Louis Malina - am rechten Pfosten abgeprallt (15.), Glück für die Gastgeber, die auch weiterhin offensiv praktisch überhaupt nicht stattfanden. Erst Mitte der ersten Halbzeit gab es die erste Ecke für Schönebeck, die der VfB Germania problemlos klären konnte. Dafür zeigte Bennet Mingramm auf der anderen Seite erst einen satten Schuss, knapp über das rechte Dreieck (26.), um drei Zeigerumdrehungen später, nach feinem Zuspiel von Illia Hlynianyi, einschussbereit im Strafraum von den Beinen geholt zu werden. Dem schwachen Schiedsrichter war das allerdings für einen Elfmeter zu wenig...
Schwach vor allem deshalb, weil kurz darauf Paul Grzega innerhalb von dreißig Sekunden gleich zweimal von Fritz Weidemeier attackiert und getroffen wurde, wofür der Unioner zwingend hätte „Gelb“ sehen müssen. Doch viel zu oft ließ der Referee Gnade vor Recht ergehen, schürte so manche Fouls, die neben der Krankheitsproblematik nun auch noch Verletzungsängste aufkommen ließen.
Bis zur Halbzeitpause gab es Einbahnstraßenfußball, die Führung hätte der VfB Germania allerdings noch weiter ausbauen können.
Nach dem Wechsel dauerte es wieder drei Minuten, bis der Ball im Tor der Gastgeber lag: Silvio Rust mit herrlichem Diagonalpass auf Pascal Hackethal, der nach innen, Paul Grzega ins Tor – klasse Spielzug, aber leider hob der Assistent die Fahne... Auch der folgende Treffer der Halberstädter, als Nick Sauer aus 17 Metern ins Netz traf, fand keine Anerkennung (54.), weil ein Schönebecker „Hand“ rief und der Schiedsrichter prompt abpfiff.
Sechzig Sekunden später eine brillante Direktabnahme von „Hacke“, ein toller Versuch, der nur Zentimeter am Traumtor vorbei strich. Dann zeigte er sich wieder als Vorbereiter, seine Flanke versuchte Hlynianyi mit sehenswertem Flugkopfball zu veredeln (58.), scheiterte aber denkbar knapp. Nur eine Minute später nochmals die gleiche Kombination und wieder fehlte nicht viel. Dann wieder einer dieser herausragenden Diagonalpässe von Silvio Rust auf „Hacke“, der diesmal jedoch mit viel Überblick Bennet Mingramm im Rückraum bediente, der vom linken Strafraumeck das Spielgerät per traumhafter Direktabnahme rechts oben in den Knick beförderte – 0:3 (61.), die Entscheidung. Ein Schuss von Louis Malina wurde gehalten und anschließend durfte der fleißige Pascal Hackethal seinen Arbeitstag beenden, für ihn gab für die verbleibenden zwanzig Minuten Lukas Cichos sein Feldspieler-Debüt. Und tatsächlich bekam Lukas Cichos alsbald eine gute Chance, legte aber vierzehn Meter vor dem Tor nochmal ab, wo Illia Hlynianyi allerdings vergeblich versuchte, die Kugel noch zu erreichen. Schönebeck prüfte dann Fabian Guderitz mit zwei Fernschüssen, die er aber mit Bravour unschädlich machen konnte. Aus dem Nachwuchs bekamen Jamie Bichtemann und Hermann Tunsch in der Schlussphase noch Einsatzzeiten die noch zum Erfolg führten: Die junge Generation trieb den Ball nach vorn, fand Bennet Mingramm in der Box als Zielspieler und der schnürte den Doppelpack per Flachschuss zum 0:4-Endstand in der Schlussminute.
So zieht der VfB Germania Halberstadt hoch verdient in das Halbfinale des Pokalwettbewerbs ein, widerstand dabei in überragender Manier allen Versuchen, mit teils sehr fragwürdigen Mitteln und Entscheidungen, seine krankheitsbedingten Schwächungen gegen ihn auszunutzen. Hut ab vor einer spektakulären Team-Qualität!