Regionalliga: Punkteteilung statt Befreiungsschlag
VfB Germania Halberstadt – SV Lichtenberg 47 1:1 (1:1)
(von Bernd Waldow)
Wirklich fair dürfte dieses Spiel extrem schwer zu analysieren sein, denn es blieb ein Drahtseilakt bis zum Schlusspfiff. Klar ist, der anvisierte Befreiungsschlag mit dem ersehnten und anvisierten ersten Saisonsieg wurde verfehlt, klar ist aber auch, es sind durchaus wichtige Faktoren positiv zu nennen. Es kommt wohl darauf an, ob man das Glas lieber halb leer oder halb voll sehen mag. Positives aus dieser Begegnung zu extrahieren, hat nichts damit zu tun, die Dinge pauschal schön reden zu wollen. Wichtig ist aber für die Psyche, die zuletzt gewonnene Grundstimmung nicht wieder zu verlieren.
Im Spiel zeigte der VfB Germania von Beginn an, dass jeder bereit war, sich voll einzubringen. Wille allein bedeutet aber eben nicht, auch ein Selbstbewusstsein zu besitzen, das dazu geeignet ist, gewisse Abläufe als Selbstverständlichkeit zu bespielen. Es bleibt eine gewisse Nervosität, spürbar in der Anfangsviertelstunde, in der beide Teams zwischen den Strafräumen den tiefen Rasen Meter für Meter „umpflügten“, aber Torraumszenen Mangelware blieben. In der zweiten Viertelstunde wusste der VfB Germania mit zwei, drei guten und schnellen Kombinationen über die Flügel zu gefallen, näherte sich an. Auch der SV kam zu ersten Aktionen vor dem Tor, holte zwei Ecken und nach einer halben Stunde die Führung. Kopfschüttelnd beobachteten die Besucher dabei, wie Oluwaseunnla Adekunle gut fünf Meter vor dem Tor ein Spielchen begann, in dem er unbehelligt (!) den Ball mit der Sohle und der Hacke von links nach rechts und zurück hin und her schieben durfte, sich schließlich drehte und zum 0:1 ins kurze obere Eck traf – nicht zu halten für Lukas Cichos.
Nun muss man positiv vermerken, dass die Köpfe der Hausherren nicht nach unten gingen, sie behielten ihre Struktur bei und wurden aktiver in ihren Bemühungen. Allerdings bringt mehr offensives Risiko auch Räume für Gegenstöße und um ein Haar – oder besser um ein Bein von Nico Lübke (39.) verfehlte Adekunle das 0:2, nachdem Cichos noch abwehren konnte, aber gegen den Nachschuss aus Nahdistanz wohl machtlos gewesen wäre, doch wir hatten ja noch die Rettungsgrätsche von Lübke vor der Linie zur Ecke.
Offensiv fand der VfB Germania durchaus statt, eine Freistoßeingabe von Pascal Hackethal
führte noch nicht zum Erfolg, wohl aber die Eingabe, ebenfalls von links in der 40. Minute, die zunächst Freund und Feind nicht erreichten, doch am zweiten Pfosten war Fynn Kleeschätzky aufmerksam und drückte mit voller Entschlossenheit das Spielgerät mit dem Oberschenkel zum 1:1-Ausgleich ins rechte obere Eck. Damit kehrte nun auch der Glaube an einen Erfolg berechtigt wieder zurück.
Nach dem Seitenwechsel hatte der VfB Germania die Partie zunächst voll im Griff und hätte in dieser Phase, in der Lichtenberg überhaupt keinen Zugriff fand, diese Begegnung entscheiden müssen! Halb links im Strafraum wurde zunächst „Hacke“ blendend frei gespielt, hatte zwölf/vierzehn Meter vor dem Kasten rings um sich weit und breit keinen Gegenspieler, traf aber das Tor nicht. Augenblicke später rieben sich die Zuschauer erneut die Augen, fast eine Blaupause, dieses Mal war es Neuzugang Nikita Marusenko, dem es ebenfalls, völlig frei stehend nicht gelang, aus dieser Position das Tor zu treffen! Fassungslosigkeit macht sich breit und die Tribünen sind plötzlich voll von Torjägern, die es alle besser gemacht hätten – behaupten sie zumindest. War es die viel zu lange Zeit, vor dem Abschluss noch zu überlegen oder war es die fehlende Selbstverständlichkeit aufgrund mangelnden Selbstbewusstseins?! Man wird es wohl nicht erfahren...
Nach einer Stunde hatte sich der Gast wieder gefangen und der VfB Germania Glück, das Christian Gawe aus zwölf Metern zu hoch zielte. Doch auch auf der anderen Seite hätte es in dieser Phase „klingeln“ können, wenn nicht der straffe Schuss von Paul Grzega zur Ecke abgelenkt worden wäre. Irwin Pfeiffer (81.), der von rechts knapp am linken Pfosten vorbei zielte, sowie noch einmal Grzega (82.), wieder zur Ecke geblockt und Lübke (87.), der nach Hackethal-Freistoß übers Tor schoss, hätten den Siegtreffer erzielen können, aber kurz vor dem Abpfiff war auch Lukas Cichos erneut Garant für zumindest den einen Punkt, als er nochmals glänzend mit Fußabwehr zur Stelle war. Für eine echte Aufholjagd war das 1:1 am Ende zu wenig, doch Optimisten halten fest, dass der VfB Germania in den Pflichtspielen 2023 noch ungeschlagen ist. Was der eine Zähler tatsächlich wert ist, wird sich indes erst in Wochen oder gar Monaten zeigen. Also bitte weiter fleißig Punkte sammeln!